Ballistische Übung

[Drehbuch für einen Atemzug]

An einem späten Novembertag
Kraniche schrien noch am Nachmittag
Sich anzufreunden
Dort am Rheinufer
Mit einem eher unbeteiligten
Stumm beschneiten Kiesel

Ihn nach kühnem Gedankenspiel
In der rechten Wurfhand
Zwischen Daumen Zeigefinger Mittelfinger
Zurechtzulegen

Sich dabei zu erinnern grinsend
An abertausend frühere

Dann den angewärmten Findling
Wuchtig und beherzt
Hinauszuschleudern
Zuerst ins Reich der Schneewolken

Dann das Stürzen
Tief und tiefer
Bis an die Wasserhaut

Im Zeitraffer
Blinzelnd zu verfolgen
An einem späten Novembernachmittag

Zu sehen
Wie das nasse Spannlaken
Eine Tür lautlos
Schließt
Verstummt.

Dabei wäre mit einem Atemzug mein unerhörtes Leben zu denken


(Veröffentlicht am 2. April 2015)

Holzhärten

Schwing die Axt nur
Treib tief deinen Logos
In die Zeitringe
Auch deiner mühseligen Jahre

Spreng mein Blut – versuchs
Doch atme anders die Jahre
Die Luft entlang der Ringe

Dann schneid sie in die Haut
Den Rotbuchen
Wie Verliebte im Mai


(Veröffentlicht am 2. April 2015)

Aber wie weit

Aber wie
Wenn ich liebe wenn
Ich den Atem zur Stille finde
Zwischen den Scherben

Mag sein
Niemand verweilt dort ohne Not
Unsere zerschnittenen Füße
Trinken den Morgentau

Dreimal so weit wird es sein
Dreimal so weit

Dreimal


(Veröffentlicht am 2. April 2015)

standing stones

[unter Flusskieseln]

Du da
Dich suchte ich
Manches Mal
Flüchtete ich
Zu dir und deinesgleichen
Mit Blicken entlang des Bettes
Tastenden Fußsohlen und
Flachem Atem

Wie aber beten ohne Sprache

Sing du mir
Deiner Tage und Nächte Choral
Mit Urmurmeln berausche mich
Vom Grund


(Veröffentlicht am 2. April 2015)

Es ist das Licht süß…

flach über die schädeldecke
spannt sich das
graue gedankentuch
drüber nichts drunter

hier bin ich
hier muss ich

würde
für einen moment nur
zerreißen
lösen sich das erdenzelt
zerstürbe im augenblick
meine sehnsucht.


(Veröffentlicht am 1. April 2015)

erstes getöse

septembersturm schreit um sich
treibt machtvoll vor sich her
wasser
durch die luft
reisst zweige
ja
sogar bäume ins verderben
nur wer jetzt wurzeln kann
im erdreich ankern
bricht nicht

wenn der Winter wettert ohne nachsicht


(Veröffentlicht am 10. Oktober 2014)

Cap Ferret

Hinansteigende Fußsohlen

dem Rotblaugrün entgegen

Die Sonne fällt

und tauscht das Licht mir aus

Dein Busen labt sich

im betagten Licht der Himmel

 Als Teil der gelben Sandluft

die bald in Ruhe blüht


(Veröffentlicht am 10. Oktober 2014)

So klein so groß

[Övelgönne im Schatten]

Stumm bewegt die Tide das Schiff
Schiebt und zerrt ans Dock sich die Welt
Blutschweiß der Bauern steingrün die Bananen
Die Klagen treffen im Weltwasser sich

Strecken sich Kranhälse gierig nach Süden
Vergeblich der Ruf nach fairem Geschäft
Für den Schlund wird geraubt das feiste Futter

Und meine Tränen um nichts in der Welt


(Veröffentlicht am 10. Oktober 2014)

Fliegen und Sterben

Kommt ein Vogel geflogen

siehst nicht das Abendlicht
ahnst nicht die gläserne Lüge
die verspricht des Gartens blaue Weite

hast geträumt nur einen Sommer lang
und die Lust der Zeiten
auch den Taumel des Gleitens?

Hast mich erschreckt so laut
Aufprall zur Tagesschau

So ähnlich im Klang – doch bleiben
Rhythmus und Tonfall zu scheiden

Bist gestürzt hast wund gelegen
sinnst zuckend dort dem Tod entgegen

Kämpfst anders du – hast andere Ruh
stirbst sehend gar dem Anfang zu?


(Veröffentlicht am 10. Oktober 2014)